Die Szene dürfte Autofans begeistern: Der Fahrer drückt einen Knopf, lässt das Lenkrad los und die Vorderreifen bewegen sich von selbst, um in der Spur zu bleiben. Was bei einem PKW derzeit noch für Staunen sorgt, ist auf deutschen Feldern längst Alltag. In der Landwirtschaft werden Traktoren eingesetzt, die ihre Position bis auf wenige Zentimeter genau bestimmen können. Beim Säen, Düngen und Ernten fahren sie so exakt Spur an Spur anstatt mit Überlappung. „Wir haben dadurch etwa zehn Prozent Einsparung an Betriebsmitteln wie Dünger und Dieselkraftstoff“, sagt Jan Koslitz. Der gelernte Jurist hat gemeinsam mit seinem Bruder den Bauernhof von den Eltern übernommen. Die Landwirtschaftsgesellschaft Eichstädt im Berliner Umland gehört mit ihren 1.450 Hektar Fläche nicht zu den großen Betrieben in Ostdeutschland, wäre nach westdeutschen Verhältnissen aber riesig.
Seit etwa zehn Jahren setzen sie dort die RTK genannte Technik ein und waren damit „ziemlich früh dabei“, meint Koslitz. Heute gehöre sie auf großen Betrieben beinahe zum Standard. RTK ist die englische Abkürzung für Echtzeitkinematik und ermöglicht erst die selbstlenkenden Landmaschinen. Ein am Schornstein des Bauernhofs angebrachter Funkmast sendet ein Signal, das alle umliegenden Felder erreicht. Über eine Antenne auf dem Dach des Traktors gelangt es ins Navigationssystem, welches das Gespann mit einer Genauigkeit von „drei bis fünf Zentimetern“ über die Äcker fahren lässt. „Der Fahrer ist eigentlich nur noch dafür da, die Maschine zu überwachen“, so Koslitz. Am Ende des Ackers angekommen müsse er nur wenden und der Traktor suche sich wieder seine Spur. So führt es Sven vor, Landwirt bei einem Nachbarbetrieb, mit dem die LWG Eichstädt kooperiert. Er düngt eines von Koslitz’ Feldern mit der modernen Technik, die er nicht mehr missen möchte: „Wenn du zwölf Stunden am Tag fährst, möchtest du nicht lenken.“ Neben der Arbeitserleichterung verringere die genaue Fahrweise „Spur an Spur“ aber auch den CO2-Ausstoß, da weniger Kraftstoff verbraucht werde, sagt Geschäftsführer Koslitz.
Neben der RTK-Technik, deren Anschaffung die LWG Eichstädt einmalig circa 6.000 Euro gekostet habe, gebe es auch andere Methoden der Positionsbestimmung. Über das Mobilfunknetz sei eine etwas ungenauere Ortung auf fünf bis zehn Zentimeter möglich. „Das ist für manche Anwendungen zu schlecht“, erklärt Koslitz. Ob der neue Mobilfunkstandard 5G etwas daran ändert? Das könne interessant werden, aber es sei eher die Netzabdeckung wichtig. Und die wird mit 5G in der Fläche noch schwieriger zu erreichen sein, da die neue Technik eine geringere Reichweite als der aktuelle Standard 4G/LTE hat.
Doch schon jetzt wird das Mobilfunknetz in der Landwirtschaft nicht nur zur Positionsbestimmung, sondern auch zur Datenübertragung genutzt. Beim Mähdrescher der LWG Eichstädt könne man zum Beispiel die Maschinendaten aus der Ferne abrufen. Jan Koslitz erklärt den Nutzen so: „Man kann dadurch früher reagieren. Wenn das Getreide bei der Ernte abends immer feuchter wird, weiß ich, wann ich anhalten muss. Sonst müsste man jedes Mal auf den Anhänger klettern, eine Probe nehmen und messen.“ Er denkt nicht, dass 5G für seinen Betrieb einen großen Fortschritt bringen wird. Durch die Nähe zu Berlin sei der Netzausbau in Eichstädt aber auch besser als in manch anderen Regionen Deutschlands.
Neben den Vorzügen der Digitalisierung sieht Koslitz auch einen Nachteil: die schwindende Hoheit über die Daten. „Wir wissen nicht, was der Hersteller unseres Mähdreschers mit den Daten macht, die die Maschine sendet. Denn die gehen ja nicht nur zu uns, sonder auch zu denen.“ Hier sei die Regierung gefragt, für klare Regeln im Umgang mit den digitalen Daten zu sorgen.