Schneegestöber in Toronto

Toronto, Trampen & überall Schnee

Im Jahr 2018 war ich elf Monate lang zum Reisen und Arbeiten in Kanada. Unter dem Titel »Quer durch Kanada« habe ich über meine Erlebnisse berichtet.

Erst einmal vielen Dank für euer Interesse an meiner Reise durch Kanada. Seit etwas mehr als einer Woche bin ich jetzt im zweitgrößten Land der Erde und habe schon sehr viel erlebt. Hier kommt mein erster Bericht.

Die geplante Reise startete mit einer Enttäuschung kurz vor Weihnachten. Wie einige von euch wissen, hatte ich geplant, an Bord eines Frachtschiffes über den Atlantik zu schippern. Die Buchung war schon komplett und die Überfahrt bezahlt, als mir leider seitens der Reederei abgesagt wurde: das Schiff werde auf einer anderen Route eingesetzt. Auch wenn ich große Lust auf diese langsame Form des Reisens gehabt hätte, hielt die Enttäuschung nicht lange. Immerhin habe ich viel Geld gespart (die Frachtschiffreise hätte mehr als viermal so viel wie mein Flug gekostet). Mich fasziniert die Vorstellung, außer einigen tausend Tonnen Stahl meilenweit nur Wasser um sich zu haben, jedoch nach wie vor. Hoffentlich kann ich das in der Zukunft einmal erleben.

Im Hintergrund ist ein Teil des Rathauses zu sehen. Die Eisfläche vorne wird tagsüber zum Schlittschuhlaufen genutzt.
Im Hintergrund ist ein Teil des Rathauses zu sehen. Die Eisfläche vorne wird tagsüber zum Schlittschuhlaufen genutzt. – Foto: Jonas Schönfelder

Fürs Erste bin ich also am 10. Januar nach Toronto geflogen. Bei der Einreise wurde ich direkt von einer netten Grenzbeamtin willkommen geheißen, habe meine Arbeitserlaubnis erhalten und konnte noch im Flughafen meine temporäre Sozialversicherungsnummer beantragen, die ich ebenfalls zum Arbeiten benötige. Das war gut organisiert. In den darauffolgenden Tagen habe ich einen ersten Eindruck von Toronto, Kanadas einwohnerstärksten Stadt, gewonnen. Mir sagte im vergangenen Jahr jemand, Toronto fühle sich wie eine US-amerikanische Großstadt an. Dieses Gefühl hatte ich auch. Das Stadtbild mit den hohen Bürotürmen im Zentrum, den flachen Häusern außerhalb des Stadtkerns, den gleichen Auto- und LKW-Modellen und überwiegend den selben Café- und Fast-Food-Ketten rief bei mir Erinnerungen an Chicago und New York hervor.

Einen sehr auffälligen Unterschied zu den USA gibt es jedoch: Der überwiegende Teil der offiziellen Beschilderung ist auf Englisch und Französisch und auch viele Läden bewerben ihre Produkte bilingual. Mir war vorher nicht bewusst, dass außerhalb der französischsprachigen Provinz Québec Französisch eine große Rolle im Alltag spielt, und wenn es nur Schilder sind.

Apropos Straßenschilder: Anders als in den USA werden Entfernungen in Kanada in Kilometern angegeben, Gewicht in Kilogramm gemessen und Mengen von Flüssigkeiten in Litern ausgewiesen. Ich habe aber auch Kanadier getroffen, die aufgrund der Nähe zu den USA im Alltag doch eher Meilen und Zoll verwenden.

Während meines Aufenthalts in Toronto war das Wetter durchwachsen. Teilweise hat es stark geregnet, was ich weniger schön finde; den Rest der Zeit war es sehr kalt, was mir gut gefallen hat. Nachdem der Winter vor meiner Abreise in Berlin recht lau war und so gut wie kein Schnee liegen bleib, habe ich mich schon im Voraus auf den kanadischen Winter gefreut und wurde nicht enttäuscht. Auf einer Eisfläche vor dem Rathaus fuhren Menschen Schlittschuh und es gab an einem Tag ein herrliches Schneegestöber.

Richtung Westen

Da ich momentan nicht so viel Lust auf riesige Städte habe, beschloss ich nach drei vollen Tagen in Toronto, die Stadt zu verlassen und in Richtung Westen zu fahren. Man bewegt sich dabei übrigens fast ausschließlich auf dem Trans-Canada Highway, der von Osten nach Westen quer durch das Land führt. Begonnen habe ich mit einer Busfahrt nach Sudbury, von wo aus ich dann erstmal getrampt bin. Es hat zwar zwei Stunden gedauert, bis jemand angehalten hat, aber dann hat mich ein Autofahrer bis nach Sault Ste. Marie (Aussprache: Su Sänt Marie) mitgenommen. In „the Soo“, wie die Stadt von den Einwohnern meist genannt wird, blieb ich dann zwei Nächte.

Am Mittwoch war ich schon morgens um 7 Uhr an einer LKW-Tankstelle, um nach einer Mitfahrgelegenheit für die nächste, 700 Kilometer lange Etappe nach Thunder Bay zu fragen. Glücklicherweise hat es nicht lange gedauert, bis mich ein Fahrer zu sich gewunken hat. Es folgten etwa sieben Stunden Fahrt in einem für europäische Verhältnisse riesigen Truck mit der ikonischen langen Motorhaube. Das hat sich ziemlich cool angefühlt. Mit dem Fahrer habe ich mich auch sehr gut unterhalten und es war eine tolle Möglichkeit, etwas über sein Leben und seine Ansichten zu erfahren.

Blick aus dem LKW auf den Trans-Canada Highway und den Lake Superior
Blick aus dem LKW auf den Trans-Canada Highway und den Lake Superior – Foto: Jonas Schönfelder

Nachdem ich in Thunder Bay das erste Mal für eine Unterkunft bezahlte (dazu später mehr), habe ich am nächsten Tag einen kleinen Einblick in eine typische Freizeitaktivität der Kanadier erhalten: Eisangeln. Die Gastgeberin für den nächsten Abend fuhr mit mir zu einer Bucht des riesigen Lake Superior (einer der fünf großen Seen in Nordamerika), in der der See zugefroren war. Wir konnten einige hundert Meter auf das Eis gehen, wo Bekannte von ihr kleine Hütten hingezogen hatten und durch ein Loch angelten.

Ich stehe auf einem zugefrorenen See mit einer ANgel und einem FIsch in den Händen.
Auf einem zugefrorenen Teil des Lake Superior betreiben die Anwohner ihr Hobby: Eisangeln. Den Fisch habe ich nicht selbst gefangen, sondern nur fürs Foto gehalten. – Foto: Jonas Schönfelder

Übernachtungen

Bislang habe bis auf eine Nacht meine Schlafgelegenheiten über die Internetplattform Couchsurfing gefunden. Das Prinzip ist einfach: Nutzer können kostenlose Schlafplätze auf Sofas oder Betten anbieten oder anfragen. Jeder hat ein Profil, wo man sich und seine Interessen beschreiben kann. Über ein Bewertungssystem kann man sehen, wie oft jemand schon Gastgeber war oder gesurft hat und ob er sich dabei benommen hat.

Ich habe von Couchsurfing schon öfter von Leuten in Deutschland gehört, es aber lange Zeit nicht ausprobiert. In Kanada habe ich bis jetzt sehr gut Erfahrungen gemacht. Die Gastgeber haben mich zum Teil mit dem Auto abgeholt oder morgens früh zum Highway gebracht. Wenn ich mehr als eine Nacht geblieben bin, konnte ich auch in der Wohnung bleiben, wenn die Gastgeber das Haus verließen. Und immer hatte ich interessante Gespräche, gemeinsame Abendessen und ein sicheres Gefühl. Das entgegengebrachte Vertrauen habe ich sehr geschätzt und ich weiß jetzt schon, dass ich nach meiner Rückkehr auch mal Gastgeber sein werde.

Weiterer Plan

Gerade befinde ich mich im Fernbus von Thunder Bay nach Winnipeg. Dort werde ich vermutlich mal etwas länger rasten. In der Stadt gibt es das kanadische Bürgerrechtsmuseum und historische Stätten, die mich interessieren. Außerdem möchte ich in die Kleinstadt Churchill im Norden der Provinz Manitoba, in der auch Winnipeg liegt, besuchen. Dort kommen später im Jahr Eisbären sehr nah an die Zivilisation und jetzt kann man Touren machen, bei denen man mit hoher Wahrscheinlichkeit Polarlichter sieht. Davor möchte ich aber gerne etwas Geld verdienen, weshalb ich mich erst einmal nach Arbeit umschauen werde.
Wie gut das mit der Arbeitssuche klappt, werde ich euch im nächsten Newsletter mitteilen.

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